Mein Name ist Sabine von Drathen-Mester. Seit 2005 bin ich Beisitzerin im Vorstand von fair handeln e.V. für den Bereich Eine Welt. 2009 und 2010 bin ich bereits mit nach Sambia fairreist.
Zusammen mit der Studentin Natalie Regniet unseres Partnervereines EWE ( Eine-Welt-Engagement, Düren) habe ich als Vetreterin unseres Vereins an der diesjährigen Fairreisen Sambia 2012 teilgenommen.
Samstag.
Acht Reisende kamen nach über zwanzig Stunden nach Mitternacht am 1.April auf dem Flughafen in Lusaka an. Um unsere Visa zu bekommen, mussten wir uns fotografieren lassen und unsere Finger nach Anweisung des Beamten auf ein Gerät legen. Das Gepäck kam zügig und vollständig. Nach einer kurzen, komfortablen Nacht im Gästehaus des Bischofs in Kapingila und leckerem englischen Frühstück wurde unser Gepäck wieder in Brians Bus verladen und los ging es durch die Stadt auf der Hauptstrasse Richtung Monze. Godfrieda vom Development Office begleitete uns freundlicherweise und sorgte dafür, dass wir in einem großen, modernen Einkaufszentrum Handykarten kaufen und Geld in sambische Kwacha tauschen konnten. In Sambia gibt es kaum Festnetznaschlüsse, immer mehr Einheimische haben Handys. Auch die Zahl der neuen Autos schien mir sehr zugenommen zu haben.
Auf dem Weg stoppten wir am Mazabuka Youth Catering Project. Nach Weggang der Ordensschwestern 2010 kümmert sich Herr Phineas Mudumba, ein Pensionär der Zuckerfabrik, kommissarisch um die Schule und das Restaurant (40 Plätze). Dort werden junge Leute mit Klasse 12 Abschluss 2 Jahre in Catering und Hotelfach ausgebildet. Sie haben gute Chancen nach bestandener Prüfung in einem Restaurant oder einer Lodge eine Anstellung zu finden. Wie wir uns überzeugen konnten, brauchen die Räumlichkeiten einen neue Fliesenfussboden sowie einen zweiten Großküchenherd und ein neues Gefriergerät zum Ersatz defekter Geräte. Derzeit wird geprüft, ob und in wie weit fair handeln dieses Projekt sinnvoll unterstützen kann.
Nachmittags kommen wir zu einem verspäteten Mittagessen im pastoralen Center St. Kizito bei Monze an und beziehen die schlichten, sauberen Quartiere in den kleinen Häusern. Father Costa, Sister Immaculata und Solomon Phiri, der Development-Officer der Diozöse Monze und Organisator vor Ort begrüßen uns herzlich.
Wegen wiederholtem Stromausfall wird das Essen vom Koch im Freien zubereitet und unsere Einführung in die Tongasprache und Kultur durch die weise Frau Kasia endet bei dunkel werden gegen 18Uhr..
Wir üben den speziellen dreifachen Handschlag (nur als Ehrung bekannter Personen gedacht) und einige Begrüßungsworte auf Tonga: Mwabuka (guten Morgen), Kwasiya (guten Abend ) buti. Zur Erinnerung werden die Worte an die Tafel geschrieben und später bekommt jeder eine Kopie. Somit sind wir für unseren Osteraufenthalt in den Gemeinden gut gerüstet.
Palmsonntag ertönt um 07:30 eine Sirene zum Frühstück. Ab acht Uhr warten wir mit Sr. Immaculata vor dem Tor eine gute Stunde auf den Beginn der Prozession. Wir bekommen jeder einen Palmzweig und mischen uns in den Zug vor die jungen Tänzerinnen. Es wird getrommelt, gesungen und gejohlt bis wir in St. Mary’s Parish ankommen, um dort am Gottesdienst teilzunehmen.
Father Ethic lädt uns anschließend auf ein Glas Saft in sein schönes Haus ein. Neben der Stereoanlage und dem laufenden Fernseher imponiert ein dekorativer Ständer mit einem Fußball im Wohnzimmer. Natürlich beglückwünschen wir den Pfarrer zum diesjährigen Sieg Sambias beim Afrika-Cup.
Später werfe ich einen Blick in den Kindergarten und freue mich über die von einer Spende unseres Vereins nach meinem letzten Besuch 2010 angeschafften Tische und Stühle. Mit einigen Kindern warten Andrea, Clarissa und ich später während eines Regengusses vor der Kirche. Wir kommen miteinander ins Gespräch und haben viel Spaß zusammen mit Seifenblasenpusten und den mitgebrachten bunten Luftballons. Anschließend bewundern wir zusammen einen schönen Regenbogen.
Montag fahren die übrigen Fairreisenden mit Father Spencer und Father Kelly zu einer Radioschule, während ich zur CLBS fahre, die seit 2004 von fair handeln unterstützt wird. Dienstag geht es zum Lukamantano Village. Dort leben behinderte Menschen mit ihren Familien seit 1995 zusammen. Headman Alfred und seine Frau freuen sich über die Fairreisenden aus Deutschland. Die von mir mitgebrachten Fotos meines letzten Besuches im Dorf in 2009 nehmen sie dankbar an. Mit einem jungen Lehrer gehe ich durch die aus allen Nähten platzende, das Dorf jetzt dominierende, Schule. Die Wasserversorgung ist durch eine Solarpumpe gesichert. Ein neues Schulgebäude ist im Bau. Die Kinder freuen sich über fair handeln Badges und machen Faxen fürs Foto. Nachmittags haben wir Zeit für einen Marktbummel in Monze.
Mittwoch treten wir mit dem Bus und Fahrer Brian die Fahrt ins entlegene Maamba an. Dort besichtigen wir die Jugendausbildungsprojekte unter Leitung von Sister Nancy. „Girls for computer“, haben letztes Jahr von fair handeln fünf Flachbildschirme bekommen und erhalten regelmäßig von fair handeln eine Spende für Prüfungsgebühren. Eine der 19 Schülerinnen, Mildred, erzählt mir, dass sie Waise ist und auch noch nicht weiß, wie sie die Examensgebühr für die Prüfung in Lusaka bezahlen könne. Die 24 Ausbildungsplätze sind nicht voll belegt. Einige Mädchen sind krank, wahrscheinlich Malaria.
In der Schneidereiklasse wird an alten Singermaschinen genäht. Der Schuluniformladen macht einen gut sortierten Eindruck.
In der Schreinerei sieht es allerdings traurig aus. Seit dem Weggang des irische Ausbilders Brian sind keine Lehrer mehr da. Drei Sambier seien zu einem Training als Ausbilder geschickt worden. Die Maschinen und das Werkzeug sind großenteils defekt. Im letzten Jahr waren noch 9 Tischler, davor 19, fertig geworden.
Das große Werkstattgebäude steht weitgehend leer. Welch ein Gegensatz zu dem Trubel vor zwei Jahren, als die irische Sister Mary Fallon sich noch um die Schule gekümmert hat.
Von Maamba aus werden wir über die Osterfeiertage alle unseren Wünschen entsprechend auf die Gemeinden verteilt.
Ich komme nach Chikuni, wo ich bereits zweimal die Festtage verbrachte. Diesmal werde ich in der Nähe der Charles-Lwanga.Basic-School bei Sister Criscencia und den Schwestern des Heiligen Geistes untergebracht.
Von Lwanga aus besuche ich die Ärzte Dr. Claudia und Dr. Sam im Missionsspital in Chikuni und lasse mir von Dr. Claudia die Zusammenarbeit mit dem Home-Based-Care-Center und Radio Chikuni bei der ganzheitlichen Versorgung der HIV positiven und Aidskranken erläutern. Überall gibt es finanzielle Engpässe. 120 Freiwillige gehen in die Center und helfen den Kranken und ihren Familien (ca. 1000 um Chikuni herum). Die Schneiderei im HBC Center ist eine der Einkommen generierenden Aktivitäten (IGA), die es durch den Verdienst ( Hälfte für Schneiderei, andere Hälfte für das HBC) die Freiwilligenarbeit unterstützen. Die Aufklärungsarbeit wird durch die Übertragungen von Radio Chikuni maßgeblich unterstützt.
Beim Verlassen des Spitals weiß ich schon wieder den Weg nicht mehr. Gemeindepfarrer Andrew und ein junger Priester kommen vorbei, erkennen meine Ratlosigkeit und gehen mit mir am Damm vorbei zurück zum Lwanga Lehrer College neben dem Konvent. Father Andrew hat 2008 zwei Jahre in London studiert. Es habe ihm dort gut gefallen. Er sei aber wieder in sein Heimatland zurückgekehrt, weil die Menschen ihn als Pfarrer bräuchten.
Mit Sr. Criscencia und Sr. Mable besuche ich Criscencias jüngste Schwester Lilian, ihrer fünf Kinder und ihre 75 jährige Mutter in einem Dorf bei Gwembe. Lilian war nicht verheiratet und ist aus Monze aus eigenem Antrieb in ihr Dorf zurückgekehrt, um sich um ihre Kinder zu kümmern. Sie versucht sich mit Gemüseanbau eine Existenz zu schaffen und möchte einen kleinen Laden aufmachen. Mit Stolz zeigt sie mir ihre Felder. Ihre Tochter Mutinta ist erst ein Jahr, einer der vier Söhne und sie selbst sind HIV positiv. Ich wünsche ihr viel Erfolg mit dem Gemüsebau und hoffe, dass sie bei guter Gesundheit bleibt. Die Familie lebt in einem beengten kleinen Steinhaus. Eine blinde, alte Großtante, die an Lepra erkrankt war und ein dreijähriger Neffe müssen auch versorgt werden, im sog. „Dumping Pot“. Die Gäste bekommen Hühnchen im Salon serviert, die Familie isst draußen. Das ist Tradition. Mit Mühe kann ich Lilian überreden mit Mutinta bei uns zu speisen. Ich versuche tapfer mein Nchima mit den Fingern zu essen …
In Gwembe wird Baumwolle geerntet und in einer Fabrik aufbereitet. In ganz Sambia ist die Textilproduktion seit Überschwemmung durch Klamotten der Altkleidersammlungen zum Erliegen gekommen. Es gibt wohl keine sambischen Chitengestoffe. Wer einmal die Marktstände in Monze gesehen und die Problematik fairstanden hat, gibt hoffentlich nie wieder etwas in kommerzielle Altkleidersammlungen!
Die CLBS ist seit 2003 Partnerschule der katholischen Herrmann-Josef-Schule in Hoengen. Sie wurde bis Ende 2010 von Sister Euphemia Mainza geleitet, die uns zuletzt im März 2011 zu einem Afrikafest in Alsdorf besuchte und vielen kleinen und großen Alsdorfern gut bekannt ist. Sie wurde von ihrem Orden als Schulleiterin nach Kabwe, nördlich von Lusaka versetzt.
In der CLBS übernahm Alfred Njaame die Schulleitung. Bei meinen Besuchen in der Schule werde ich von Herrn Njaame, den Lehrern und Schülern sehr freundlich begrüßt. Mit den Lehrerteams, die für das Gartenprojekt, die Solaranlage, das Hühnerzuchtprojekt und das geplante Community Projekt verantwortlich sind, besichtige ich das Schulgelände. Ja, es gibt jetzt endlich Fotos vom Poultry-Project und ich habe die schlachtreifen Hühner mit eigenen Augen gesehen! Dass drei Tage nach meinem ersten Besuch das Hühnerhaus leer und blitzblank geputzt war, hat mich sehr verwundert.
Die Hühner waren zu Ostern alle verkauft und abgeholt worden. Vom auf 200 $ geschätzten Erlös sollten noch während der Osterferien neue Hühnchen gekauft werden, um die Zucht fortzusetzen.
Das fair handeln Emblem auf dem grünen Wassertank war im Vergleich zu den Vorjahren deutlich verblasst. Dafür funktionierte die Solarpumpe zum Glück wieder. In diesem Jahr ist die vom Staat installierte Elektropumpe defekt, so dass die Wasserversorgung über die Handpumpe und bei Sonne über die Solarpumpe gewährleistet werden können.
Im Gemüsegarten sind Tomaten, Chinakohl, Auberginen und Rape (grünes Gemüse) unter Mithilfe der Schüler angepflanzt worden. Vom geernteten Gemüse bekommen die bedürftigen Schüler etwas und falls darüber hinaus Geld aus dem Verkauf erlöst wird, können Examensgebühren davon bezahlt werden. Viele Schüler sind Aidswaisen oder selbst HIV positiv und krank.
Für die 674 Schüler werden dringend zusätzliche Klassenräume gebraucht. Der Unterricht läuft weiterhin im Schichtbetrieb. Auf einem alten Fundament sollen zwei neue Klassenräume entstehen.
Für ein zu Schwester Euphemias Zeiten geplantes Haushaltstrainingsprojekt fehlen zuerst einmal neue Räumlichkeiten.
Rektor Njaame und Deputy Mrs Miyombo möchten einen Schulshop zum Verkauf von Schulutensilien, Getränken und Snacks neben dem Hühnerhaus eröffnen, ein sog. Community- Project.
Während meines Besuches schaue ich bei der Religionsprüfung der 8.klasse vorbei. Die gestellten Fragen betreffen verschiedene Religionen (Christentum, Islam, Hinduismus). Ich erbitte eine der raren Kopien des Testes. Die Fragen finde ich teilweise recht anspruchsvoll…
Nach einem privaten Besuch bei Ehepaar Njaame zuhause, habe ich den Eindruck, dass wir jeder von der Arbeit des anderen einiges verstanden haben. Alfred hat mir stolz erzählt, dass er mit seiner Frau schon 26 Jahre verheiratet ist. Sie sind stolze Eltern von vier erwachsenen Töchtern und zwei jugendliche Söhnen. In Sambia gibt es noch Polygamie, wie ich bei meinen früheren Zusammenkünften mit Headman George berichten kann.
Die Ostertage bei den Sisters of the Holy Spirit: Sr Criscencia, Sr. Mable, Sr. Ivan und den vier Novizinnen Purity, Catherine, Vida und Linda, waren ein Geschenk für mich und eine unerwartete neue spirituelle Erfahrung. Vom ersten Moment an wurde ich in ihre Gemeinschaft aufgenommen und selbstverständlich mit einbezogen. Bei meiner Ankunft am Abend vor Gründonnerstag feierten wir ein Passah Mahl nach jüdischer Tradition. Fortan nahm ich an den Morgenandachten in der kleinen Kapelle neben dem Trinity Haus teil. Am Donnerstag führten wir die rituelle Fußwaschung durch. Zusammen haben wir gesungen gebetet, Psalme gelesen (auf Englisch) und geschwiegen. Vor dem Altar war ein Kreuzweg mit Steinen, Palmzweigen, Balsam, Brot und einem Beutel mit Münzen gelegt, an dessen Ende eine Kerze brannte.
Auf die abends in der Kirche in Tonga gehaltenen Gottesdienste in Chikuni war ich so schon gut eingestimmt. Dort wurde getrommelt, getanzt, gesungen und gebetet. Auch in den Außenstationen und in Pemba waren die Kirchen angefüllt mit vielen Menschen. Meistens war es schwül, aber durch die geöffneten Fenster wehte ein angenehmer Windhauch.
Beim Gottesdienst in Pemba am Ostersonntag wurde Heinz Braun, der Vater von Nina, geehrt. Er hatte beim Kreuzweg eine Station auf Tonga gelesen und alle Einheimischen in Erstaunen versetzt. Das schönste Kompliment für mich war, vom Pfarrer als eine der Sisters of Chikuni begrüßt zu werden. Während ich mit meinen Tongakenntnissen nicht immer glänzte (Mabuka buti am Nachmittag …), freuten sich alle über mein Klatschen, Tanzen und Singen im Gottesdienst.
Sr. Criscencia mailte später, was denn wohl mein Mann Peter dazu gesagt hätte, dass sie mich zur Sister machen wollten.
Von Pemba aus sammelt der Bus längs der Hauptstrasse alle acht Fairreisenden sowie Lena, Nina und Nicole ein, um zusammen in die Chapa Lodge nach Livingstone zu fahren. Dort treffen wir uns mit Solomon Phiri für eine Evaluation unserer Erfahrungen über Ostern in den Gemeinden. Das ist wichtig, bevor wir den touristischen Teil der Reise mit den tosenden Victoriafällen, Besichtigung von Tierreservaten/Safari im Chobe Parc in Botswana, Marktbummel, Discobesuch und der krönenden Sunsetcruise auf dem Sambesi genießen können. Jedes Mal ist es eine neue Erfahrung. Ich freue mich schon darauf, wieder nach Sambia zu fairreisen ….
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Reisebericht in der undsonst?! vom 1. Juli 2012